Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 by Johann Gottfried Seume

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 by Johann Gottfried Seume

Autor:Johann Gottfried Seume [Seume, Johann Gottfried]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-19T17:00:00+00:00


So singt Asmus den ersten Mai in Wandsbeck; so kann ich doch wohl vier Wochen früher, den ersten April, in Syrakus singen; so froh bin ich, ob ich gleich vor einigen Stunden beinahe in dem Syrakasumpfe ersoffen oder erstickt wäre. Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Wenn man in Syrakus nicht weit von der Arethuse sitzt und einem Freunde im Vaterlande schreibt, so stürmen die Gegenstände auf den Geist: vergib mir also ein bißchen Unordnung!

So wie ich zum Tore herein war und eine Straße heraufschlenderte, – wohl zu merken, mein Sack hielt keine große Peripherie, und ich konnte ihn mit seinem Inhalt leicht in den Taschen verbergen – so rief mir ein Mann aus einer Bude zu: »Vous êtes étranger, Monsieur, et vous cherchez une auberge? – Vous l'avez touché, Monsieur!« sagte ich. »Ayez la bonté d'entrer un peu dans mon atelier: j'aurai l'honneur de vous servir.« Ich trat ein. Der Mann war ein Hutmacher, Franzose von Geburt, und schon seit vielen Jahren ansässig in Syrakus. Er begleitete mich in ein ziemlich leidliches Wirtshaus, das auch Landolina nachher als das beste nannte. Die Nahrung, wenigstens das Hutmachen ist in Syrakus so schlecht, daß mein Franzose es gern zufrieden war, bei mir so ein Mittelding von Haushofmeister und Cicerone zu machen. Ich traf Landolina das erste Mal nicht, er war auf einem Landgute. In einer Festung kann ich doch gutwillig nicht bleiben, wenn man mich nicht einsperrt; ich lief also hinaus an den Hafen, nämlich an den großen oder an den Meerbusen, denn der kleinere auf der andern Seite nach den Steinbrüchen zu hat jetzt nichts Merkwürdiges mehr, so viel auch Agathokles Marmor daran verschwendet haben soll. Ich ging gerade fort über den Anapus, weit hinüber über das Olympeum und wäre vielleicht bis an die andere Abteilung des Berges hinuntergegangen, wenn der Tag nicht schon zu tief gewesen wäre. Ich bin doch schon ziemlich weit gegen Süden gewandelt; denn, wenn ich nicht irre, so segelte in den punischen Kriegen der Römer Otacilius von hier aus nach Afrika, machte große Beute in Utika und war den dritten Abend wieder zurück. Ob Syrakus oder Lilybäum der Ort war, von dem er ausfuhr, darüber wird Dir Dein Livius Bescheid geben, wer kann alles behalten? Du siehst doch, daß ich, wenn ich sonst nur ein echter Weidmann wäre, in einigen Tagen die Jagdpartie des frommen Aeneas und der Frau Dido mitmachen könnte.

Plemnyrium liegt hier vor mir und sieht sehr wild aus und hat jetzt durchaus nichts mehr, das nur einen Spaziergang wert wäre. Eine zweite Sumpfgegend hielt mich auf, sonst wäre ich doch wohl noch etwas weiter gegangen. Auf dem Rückwege setzte ich mich ein Viertelstündchen an die zwei Säulen, die für die Überreste von dem Tempel des Jupiter Olympius gelten. Es versteht sich, daß die Tempel des Göttervaters meistens auch eine schöne Aussicht gewähren; hier ist sie herrlich. Indem ich sie genoß, setzte ich mich in die Zeit zurück, wo Dionysius ebenso willkürlich den Haushofmeister der Olympier als den Zuchtmeister der Sterblichen machte.



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